Das Projekt war angelaufen. Erst holprig und mit Verzögerung, aber jetzt kam es in Schwung. Die Kommunikationsstrukturen des Projektes mussten das Personalwachstum berücksichtigen. Noch waren wir ein Team von sechs Personen im Projektmanagement – doch schon sehr bald würden es 170 sein. Die Kommunikation bekam ein neues Maß an Qualität und war mit üblichen Herangehensweisen nicht mehr zu bewältigen. Neben einer hohen Automatisierung der Informationsflüsse musste ebenfalls sichergestellt werden, dass die Meldungen die betreffenden Personen auch erreichten und strikte Disziplin innerhalb der Interaktionen der Abteilungen herrschte. Dies alles erfolgte bei einer hohen Informations- und Meeting-Dichte im Projekt.
Die Automatisierung
Die Fülle an Informationen in diesem Projekt war erheblich und diese mussten umgehend jeden überall erreichen. Das betraf insbesondere Veränderungen von Leistungsverzeichnispositionen, die Aktualisierung von Montagevorschriften, Ergebnisse aus Steeringboard-, Kunden- und Projektmeetings sowie Logistikinformationen und Terminabsprachen an den Einsatzorten. Darüber hinaus hatten wir dem Kunden und unseren Account Managern ein wöchentliches Reporting versprochen, welches selbstständig abgerufen werden konnte. Alle Informationen wurden in unseren Datenbanken gesammelt und mussten gezielt an die jeweilige Nutzergruppe weitergeleitet werden. Realisiert wurde dies mit E-Mail Verteilern, Pushmails, unterschiedlichen Zugangsdaten und Berechtigungen.
Die Syntax dafür war ein komplexes System, über das zwei Mitarbeiter ständig wachten. Wie der Zufall es wollte, hatte einer dieser Mitarbeiter den gleichen Nachnamen wie der zentrale Projektleiter beim Kunden. Er erhielt dann auch prompt, natürlich versehentlich, die E-Mail, in der unsere gesamten Materialprobleme feinsäuberlich aufgelistet waren. Als wir es bemerkten, war es aber leider schon zu spät. Die E-Mail war schon gelesen und konnte daher nicht mehr zurückgeholt werden. Mir schossen alle möglichen Reaktionen auf den Inhalt dieser brisanten E-Mail durch den Kopf und ich sah mich schon gedanklich vor dem Kunden sitzen, um das wieder aus der Welt zu argumentieren. Eine Antwort des Projektleiters blieb aus. Eine Woche später hingegen, während eines Gespräches mit dem Herrn, erhielt ich ein Lob seinerseits. In der E-Mail waren zwar unsere Probleme, aber auch die Lösungsansätze und Aktionen beschrieben worden, was dem Kunden einen Einblick in unsere professionelle Problemlösung ermöglichte.
Sicherstellung
Die wichtigste Aufgabe war es, unser neues Personal kompakt mit den aktuellen Informationen zu versorgen. Nun waren wir alle aber sehr mit dem aktuellen Tagesgeschäft beschäftigt und es fehlte die Zeit durch umfangreiche Erläuterungen eine gute Einweisung zu realisieren. Wir brauchten eine Art Waschzettel auf dem das Wichtigste vermerkt war. Ich verpflichtete somit jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin eine Projektakte mit der Essenz, die für die jeweilige Abteilung relevanten Informationen, zu führen. Jeder Neuzugang bekam eine Ansprechperson der Abteilung zur Seite gestellt, um diese Daten inklusive einer Einweisung zu erhalten. Es funktionierte und ich habe selten ein „das habe ich nicht gewusst“ gehört.
Bei diesem engen Terminplan, der für jeden Auftrag bestand, war die aktuelle Pflege der Meilensteintermine extrem wichtig. Den größten Flaschenhals erzeugten dabei die ausführenden Kräfte Vorort. Jeden Freitag um 14:00 Uhr mussten alle Termine eingegeben sein, um dann eine Stunde später das Reporting zur Verfügung zu stellen. Es war aber ein langer Weg, bis dies ohne große Hinterhertelefoniererei auch umgesetzt werden konnte. Somit wurde es jeden Freitag hektisch und manchmal war erst um 18:00 Uhr endlich Feierabend – nach einer 60 Stundenwoche und noch 300 km bis zur heimischen Haustür!
Disziplin
Jede Abteilung hatte nur ein kleines Zeitfenster um die jeweilige Arbeit an dem Auftrag zu leisten. Ein Tag Verzug konnte schon die ganze Terminkette gefährden. Entsprechend feindlich gesonnen waren die ersten Projektmeetings mit dem wachsenden Team, weil eigene Versäumnisse auf die vorangegangenen Abteilungen abgewälzt wurden. Wir nutzten die Meilensteinverfolgung, um anhand von Qualitätsindikatoren ein Frühwarnsystem zu etablieren, damit auf Verspätungen umgehend mit Korrekturmaßnahmen oder Personalverstärkung reagiert werden konnte. Damit kam Ruhe in das Team und die Abteilungen konnten Tag genau ihren Durchsatz messen.
Trotzdem gab es sie am Anfang – diese Bandwurm-E-Mails, in denen sich zwei beharkten, statt das Problem zu lösen. Gerne auch mit einem großen Verteiler, sodass ja genug Publikum involviert wurde. Ich las daraus ab, dass die interne Kommunikation noch nicht stimmte und brachte das ganze Team an einen Tisch, um das „warum“, „wie“ und „was“ eines Auftrages allen klar zu erläutern. Das Verständnis für die einzelnen Arbeitsschritte und die Akzeptanz dafür, nur einen geklärten Auftrag weiter zu geben, wurde sensibilisiert.
Unsere Projektmeetings wurden übrigens per Video abgehalten, damit unsere Regionalmanager ohne Reisekosten daran teilnehmen konnten. Leider war Skype damals noch nicht so ausgereift und unsere IT probierte immer mal wieder neue Anbieter aus. So kam es, dass wir bei einem Portal alle „Besucher“ aus der Konferenz manuell abweisen mussten. Einer war uns dabei wohl durchgerutscht und er fragte uns per Messanger, ob wir ein online Theaterstück machen würden und ob er sich anschließen dürfte. Zumindest an dem Tag hatten wir mal wieder was zu lachen.
Nächste Woche geht es weiter: Personal Recruiting und andere Katastrophen